Ein bisher kaum erforschter Faktor in den Auseinandersetzungen um die Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland ist der “Bürgerdialog Kernenergie”. Er wurde 1975 vom damaligen Bundesforschungsminister Matthöfer als Reaktion der Bundesregierung auf den wachsenden Widerstand in der Bevölkerung gestartet. Das Forschungsprojekt soll den “Bürgerdialog Kernenergie” umfassend, interdisziplinär und multiperspektivisch aufarbeiten sowie aus heutiger Sicht einordnen (beteiligt sind Geschichtswissenschaft, Politikwissenschaft/Partizipationsforschung und Kommunikationswissenschaft). Der Betrachtungszeitraum umfasst die Jahre 1974 bis 1983. Die Basis des Projektes bilden umfangreiche Archivrecherchen. Neben der quellenkritischen Analyse von Unterlagen aus staatlichen Archiven werden Archive von Initiativen und Privatpersonen ausgewertet. Interviews mit damals beteiligten Akteurinnen und Akteuren (“Zeitzeuginnen und Zeitzeugen”) ergänzen die Herangehensweise. Die Ergebnisse werden öffentlich präsentiert.

Im Fokus des Projektes stehen Fragen der Entsorgung (Wiederaufarbeitung, Zwischenlagerung, Endlagerung). Im Kern geht es um die wissenschaftliche Analyse der Wechselwirkungen zwischen den staatlichen Akteurinnen und Akteuren und der organisierten Zivilgesellschaft, ihrer Motive und gegenseitigen Wahrnehmung sowie die Übertragung auf das heutige Standortauswahlverfahren. Ziel ist es, sich die Stärken, Schwächen und Grenzen der damaligen Aktivitäten vor Augen zu führen und hieraus für die Gegenwart zu lernen.Auftraggeber des Forschungsvorhabens ist das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE). Das Bundesamt ist gemäß des Gesetzes zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle (Standortauswahlgesetz – StandAG) vom 5. Mai 2017 Träger der Öffentlichkeitsbeteiligung im Standortauswahlverfahren. Es schafft die Grundlagen und Randbedingungen dafür, wie Bürgerinnen und Bürger in die Standortsuche einbezogen werden können, um eine Lösung zu finden, die in einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen wird.